Die Gemeinde

Das Gemeindezentrum

„Die sichtbare Kirche ist ein Symbol für die unsichtbare Kirche“

Dieser Satz aus dem Mittelalter gilt für jeden christlichen Kirchenbau. Das Wort Kirche stammt vom griechischen Wort „kyriakon“, d.h.: „dem Herrn gehörig“. Kirche ist ein symbolischer Wohnort Gottes auf Erden, ein Ort, an dem Menschen Gott nahe sein, ihm begegnen können, an dem sie seine Größe feiern, von ihm und seinen Taten sprechen und durch das Gebet gestärkt werden. Genau davon zeugt auch unser Gemeindezentrum.
Erste Planungen begannen schon im Frühjahr 1965. Angeregt durch Besichtigungen von schon existierenden Gemeindezentren in Bordesholm, Preetz und Selent, wurde zunächst eine Zeltdachkonstruktion mit danebenstehendem schlankem Turm angedacht. Diese Form erwies sich aber angesichts der zu integrierenden Nebenräume als ungeeignet. Doch durch weitere Entwürfe des beauftragten Architektenbüros Dipl.-Ing. O. Andresen, Malente, sowie durch weitere gemeindliche Bedürfnisse, finanzielle Engpässe und das sich dicht an der Kirche entwickelnde Wohnviertel verzichtete die Gemeinde letztendlich auf den Bau eines Glockenturms und es entstand die heute sichtbare, dreistufige Flachdach-Kastenform.

Revolutionär war auch die Auseinandersetzung des Kirchengemeinderats hinsichtlich der Gestaltung des Kirchenkreuzes. Wichtig war dem Kirchengemeinderat damals, dass das Altarkreuz oder Altarbild den lebendigen, auferstandenen Christus vergegenwärtigt. Es standen letztendlich zwei unterschiedliche Entwürfe zur Auswahl: ein schlichtes, eher klassisches Holzkreuz mit einem eingezeichneten Christuskorpus –oder eine moderne Altarplatte, die den Gekreuzigten ebenso vergegenwärtigt – aber den segnenden Auferstandenen in den Vordergrund stellt. Der Kirchengemeinderat entschied sich für die Altarplatte von Herrn Wallner, der dann auch die Plastiken rund um das Taufbecken gestaltete.
Pastorin Isabel Frey-Ranck

Ein Gang durch unsere Räume:
Das Miteinander von „geistlichem“ und „weltlichem“ Leben in einem Raum, dessen Grenzen fließend und durchlässig sind, ist das Grundprinzip, das die Ausgestaltung des Bonhoeffer-Gemeindezentrums beherrscht. Dabei steht der Kirchenraum natürlich im Mittelpunkt.
Hat man das Innere durch die doppelte Glastür betreten, steht man auf einem langgestreckten Treppenabsatz, dem Garderobenbereich, von dem aus wenige Stufen hinunter in den zentralen Gemeinschaftsraum, die sog. Halle, führen. Um ihn gruppieren sich weitere, vielfältig nutzbare Nebenräume sowie der Kirchraum.
Der Besucher steigt die Stufen des Absatzes hinunter wie vom Ufer eines Flusses oder Sees aus zum Wasser hinab und taucht ein in die Gemeinschaft der Bonhoeffer-Kirchengemeinde. Von Süden her lassen große Fenster das Licht einfallen, gegenüber trennt eine Wand aus beweglichen Holzelementen einen kleineren Raum ab, um den der zentrale Gemeindesaal erweitert werden kann.
Durch eben solche beweglichen Holzwandelemente ist der Kirchenraum nach Osten zu von den Gemeinderäumlichkeiten geschieden. Im Bedarfsfall können die beweglichen Wände zur Seite geschoben werden, sodass ein großer Raum entsteht, der viele Menschen aufnehmen kann. Ob geistliche oder weltliche Feiern, die Räume können der jeweiligen Gegebenheit flexibel angepasst werden. So wird das Gemeindezentrum Spiegel der Lebendigkeit des Kirchengemeindedaseins, ganz so, wie es gedacht war und ist.
Den Kirchenraum betritt man durch eine Tür auf der rechten Seite der beweglichen Holzwand. Zunächst steht man noch unter einer niedrigen Decke, die ein beträchtliches Stück in den Kirchenraum hineinreicht. Sie ist die Fortsetzung der Deckenelemente der Gemeinderäume, die ja niedriger als der Kirchenraum sind. Auf diese Weise ragt ein Teil der Gemeinderäume in die Kirche hinein und macht die Verzahnung von „profanem“ und „religiösem“ Bereich überdeutlich. Doch schon nach einigen Schritten vorwärts tritt dieser Bereich zurück, und nach oben und nach vorn öffnet sich der Kirchenraum, er wird weiter und lichter und erscheint damit größer, als er eigentlich ist. Er erhält damit die Bedeutung, die ihm zukommt, das wird dem Besucher unwillkürlich bewusst. Der Kirchraum umfasst etwa 100 Plätze. Er wird erweitert durch den Altarraum, zu dem eine Stufe hinaufführt. Der Altarraum nimmt allerdings nicht die gesamte Breite des Kirchenraums ein, sondern nur ca. zwei Drittel, sodass der Eindruck entsteht, an der Südseite des Kirchenraums gäbe es eine Art Seitenschiff, ohne dass dies wirklich der Fall ist. Unterstützt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass von der Eingangstür hinten ein Gang freigelassen ist, der bis zu der Wand führt, die rechts neben dem Altarraum vorspringt. An dieser Wand hängt die Skulptur einer mittelalterlichen Pieta, darunter steht ein mehrkerziger Gebetsleuchter, dem zwei etwa gleichgroße Holzfiguren von Walter Green zur Seite gestellt sind (das sog. „Hohelied der Liebe“), gleichsam in Andacht versunken. Das Ganze wirkt beinahe wie ein kleiner Seitenaltar, was den oben beschriebenen Eindruck unterstützen könnte.
Die Wände des Kirchenraums sind in warm-rötlichem Backstein ausgeführt. Sie haben keine Fenster. Das natürliche Licht für den Raum dringt von hinten oben durch ein breitgestrecktes Fensterband, das in den Teil der Rückwand eingelassen ist, um den das Kirchengebäude die übrigen Bauten des Zentrums überragt. So nimmt die Helligkeit in der Kirche von der Rückwand zum Altarraum hin zu, und der Eindruck, dass sich der Raum immer weiter öffnet, wird dadurch verstärkt.

Eine besondere Wirkung geht von dieser silberfarbenen, nahezu quadratischen Tafel über dem Altartisch aus, die den gesamten Kirchenraum prägt. Es zeigt vor einem Hintergrund, aus dem Licht in dicken Strahlenbündeln hervorbricht, eine Christusfigur mit ausgebreiteten, durchbohrten Armen in der Form des Kreuzes, ohne dass das Kreuz selbst richtig sichtbar wird. Es verschwindet sozusagen hinter der Figur. Es ist der auferstandene Christus, der das Kreuz überwunden hat und der nun die Arme öffnet, um voll Liebe und Gnade diejenigen aufzunehmen, die zu ihm kommen. Wenn das Licht dieses reliefartige Bild streift und darüber hin wandert, erwacht es zu einem eigenen seltsam mystischen Leben, das sich dem ganzen Raum mitteilt.
Dieses Altarbild und die Pieta-Skulptur an der Wand rechts neben der Apsis sowie das Orgel-Positiv, das sich in einer Nische der südlichen Kirchenwand befindet, sind die einzigen nicht zu bewegenden Einrichtungsgegenstände der Kirche. Alle anderen sind beweglich: Der einfache hölzerne Altartisch; die Kanzel, die einem Rednerpult ähnelt; das Taufbecken, eine Metallschale aus Keramik und Platinglasur eingelassen in eine quadratische Umfassung, die an ihren Seiten Bilder aus der biblischen Geschichte aufweist und auf einem ca. 80 – 100 cm hohen Holzfuß ruht.
Diese stilistisch aufeinander abgestimmten Altarraum-Elemente können, genauso wie die Stühle im Besucherraum der Kirche oder der Gebetsleuchter unter der Pieta mit den danebenstehenden Holzfiguren, bewegt werden. Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten sind denkbar, um Gemeinsamkeit bei Feiern aller Art, religiösen wie weltlichen, zu schaffen.

Das entspricht ganz den Vorstellungen der einstigen Planungsgremien, ebenso wie dem Sinn des Wortes Christi, das – symbolisch überhöht – in der Geste der ausgebreiteten Arme der Altarfigur ausgedrückt ist:
KOMMT HER ZU MIR; ALLE, DIE IHR MÜHSELIG UND BELADEN SEID; ICH WILL EUCH ERQUICKEN.

Ein Wort, das als Leitspruch über dem Gemeindezentrum der Dietrich-Bonhoeffer-Kirchengemeinde stehen könnte.
Wolfgang Schütz

Pieta und Gebetsleuchter

Wenn man unseren Kirchraum durch die Tür rechterhand betritt, fällt einem vielleicht als erstes an der gegenüber liegenden Wand vor dem eigentlichen Altarraum ein für eine protestantische Kirche ungewöhnliches Kleinod ins Auge: unsere Pieta.

Dieses Andachtsbild stellt Maria und ihren gekreuzigten Sohn dar. Die Darstellung ihres Aussehens verweist in vergangene Jahrhunderte; das abgebildete Geschehen aber ist zeitlos: Christus, für uns gestorben.
Maria birgt den Gekreuzigten in ihren Armen, ihr Blick aber gilt weder ihm noch uns. Sie hat ja schon viel in ihrem Leben getragen, aber sie hält auch diesem Schmerz stand. Horcht sie auf Gottes Wort, das der Engel ihr einst gebracht hat und dem sie immer wieder vertraut: Fürchte dich nicht…?
Die Pieta, die uns das Geschehen um Karfreitag vor Augen führt, soll uns darin gewiss machen, dass wir darauf vertrauen können, dass Gott auch über unserem Leben sein „Fürchte dich nicht“ gesprochen hat. Als vor einigen Jahren Gebetsleuchter, zunehmend auch in protestantischen Kirchen Einzug hielten, wurde der Wunsch nach einem solchen Leuchter immer häufiger vorgebracht, was eine Umfrage bestätigte. Einen geschützten Raum für die ganz persönliche Andacht – nicht nur am Sonntag – und dazu eine Kerze anzünden zu können, entspricht einem zutiefst menschlichen Bedürfnis: Licht – Gottes Licht – möge das eigene Herz wärmen!
Der für unsere Kirche von Herrn Horstkotte geschaffene Gebetsleuchter ist mit seinem hölzernen Sockel dem Holz vom Altar, Kanzel und Taufstein angeglichen, der aus Metall geformte Kerzenhalter ist weit geöffneten Armen nachempfunden, und auf den leicht ansteigenden Riemchen obendrauf haben viele Kerzen Platz. Für besondere Feiern, wie z. B. dem Taizé-Gottesdienst, lässt sich das Kerzenteil abheben und auf die Altarstufen oder einen Tisch in die Mitte stellen. So kann man miteinander Kerzen anzünden, um zu trauern, um Tränen Raum zu geben, um Anteil zu nehmen – und in gleicher Weise Glück und Freude untereinander zu teilen. In jeder entzündeten Kerze sehen wir: Gott ist da in seiner Verheißung: „Es werde Licht – und es ward Licht!“
Seit 2013 bildet der Gebetsleuchter zusammen mit der Pieta eine einladende Andachtsecke in unserer Kirche, die häufig genutzt wird. Dass die beiden uns gestifteten Holzfiguren gleichsam in Andacht versunken oft dabeistehen, mag helfen, sich einfach dazuzustellen.
Anke Seidel